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Kommentar zu Wie ist das jetzt mit Geltungsbereich eines Gesetzes? von kairo

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Lieber Eidgenoss,

du hast bei Volksbetrug einen weiteren Beitrag hinterlassen, in dem du ankündigst, gegen deine damaligen Prozessgegner rechtlich vorzugehen oder es zumindest zu wollen. Das gegen dich gesprochene Urteil weise erhebliche Formfehler auf:

“Das “Versäumnissurteil” zeigte alle beklagten Mängel. Fehlender Name und Unterschrift des Richter, unleserliches Krikelkrackel und erstellt durch eine Justizbeamtin. Nun erinnerte ich mich auch daran, dass der Richter damals bei der Anhörung, den Anwalt der Klägerin scharf rügte, weil die ordentliche Zustellung des Deutschen Urteils in die Schweiz, nicht formgerecht ab lief. Diese Schwierigkeiten könnten gut möglich, mit dem fehlenden §15GVG im Zusammenhang stehen.”

Habe ich das richtig verstanden?

Ich rate zur Vorsicht.

Erstens mal hatte der §15 GVG mit Zustellungsfragen überhaupt nichts zu tun. Die werden in der ZPO ausführlich geregelt. (So ausführlich, dass alle anderen Prozessordnungen sich einfach darauf beziehen.) Im §15 GVG stand zu Bismarcks Zeiten mal drin, dass es nur staatliche Gerichte geben darf, keine privaten (davon gab es 1879 noch ein paar), aber da das seit 1919 auch in der jeweiligen deutschen Verfassung steht, war diese Vorschrift entbehrlich.

Zweitens hat die Schweizer Justiz an der Form deutscher Gerichtsurteile absolut nichts auszusetzen. Jeder Richter wird dich milde anlächeln und z. B. auf den Beschluss der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 12. November 2012 (Geschäftsnummer: RH.2012.14) verweisen. Da ging es um einen Deutschen, der in der Schweiz festgenommen worden war, weil ein deutsches Gericht ihn zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Er wehrte sich mit ganz ähnlichen Argumenten gegen seine Auslieferung:

“Der Beschwerdeführer, welcher sich als Staatsangehöriger des Deutschen Reichs bezeichnet …, macht im Rahmen seiner Beschwerde geltend, die BRD sei seit 1990 kein Staat mehr, sondern täusche Staatlichkeit vor. Sie sei weder vom deutschen Volk legitimiert noch habe sie ein Staatsgebiet. Des Weiteren habe er bis heute kein rechtskräftiges, von einem ordentlichen Gericht und einem unparteiischen Richter nach deutschem Recht und Gesetz gefälltes Urteil erhalten … Das ihm gegenüber gefällte Urteil des Amtsgerichts Lindau (Bodensee) bezeichnet er als Scheinurteil …” (Punkt 4.2a)

Bei der Formulierung dieser Beschwerde hatte ihm ein “Rechtsberater für Staatsangehörige des Deutschen Reichs” geholfen. Das merkt man dem Text deutlich an.

Die Kammer war wenig beeindruckt.

“Sofern der Beschwerdeführer die Gültigkeit des Urteils aufgrund der von ihm gemachten Ausführungen zur Staatlichkeit Deutschlands in Zweifel zieht, sind seine Vorbringen abwegig (vgl. in ähnlichem Zusammenhang bereits das Urteil des Bundesgerichts 6B_435/2012 vom 19. September 2012, E. 1; siehe auch den Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2012.130 vom 24. August 2012). Das dem Auslieferungsersuchen zu Grunde liegende Urteil befindet sich bei den Akten … Anhaltspunkte, welche die Auslieferung des Beschwerdeführers als unzulässig erscheinen liessen, sind dem Urteil keine zu entnehmen.” (Punkt 4.2b)

Bestimmt sah dieses Urteil ganz ähnlich aus wie deines. Zur Staatlichkeit Deutschlands scheinen die Richter recht konkrete Vorstellungen zu haben, leider andere als deine.

Aber das setzt voraus, dass die Sache überhaupt vor Gericht kommt. Kommt sie jedoch nie, denn keine Staatsanwaltschaft wird auf deine Anzeige hin ermitteln.

“Ich könnte die Deutsche Firma und ihre Anwälte in Deutschland und in der Schweiz auf Betrug und Urkundenfälschung verklagen! Das wäre dann ein Strafprozess dessen Kosten nicht ich tragen müsste. Ich müsste lediglich eine Strafanzeige bei der hiesigen Staatsanwaltschaft einreichen.”

Meinst du mit “hiesig” in der Schweiz? Da wird man freundlich den Kopf schütteln und darauf hinweisen, dass es sich um Vorgänge handelt, die sich im Ausland abgespielt haben, und du mögest die Anzeige bitte dort einreichen. Und in Deutschland wird man feststellen, dass der Prozess völlig korrekt gelaufen ist, so dass kein Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung besteht.

Welche denn auch? Dass die Urteilsausfertigung, die dir zugestellt wurde, nicht vom Richter unterschrieben wurde, dafür kann ja der Staatsanwalt nichts, und die Kläger auch nicht. Verklag den Richter. Der wird aber auf die StPO verweisen. Ausfertigungen werden von ihm nicht unterschrieben, nur das Original.

Ist das eigentlich in der Schweiz anders? Meine Erfahrungen mit Schweizer Gerichten sind gleich Null, aber vielleicht kennst du dich da ja besser aus.


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