Zum einen sollte jedem auffallen, daß der hier schreibende Richter sich auf einem ganz anderen Niveau bewegt als die üblichen Reichsdeppen. Als nächstes muß man festhalten, daß er (sogar, wenn er recht hat) allenfalls einzelne Gesetze (bzw. deren Inhalt) rügt und nicht etwa die komplette Bundesrepublik in Frage stellt. Daraus könnt ihr also für eure Argumentation wirklich kaum etwas herauslesen.
Und im übrigen hat er auch in der Sache einfach Unrecht:
Zur Vertiefung wird auf die Expertise des Unterzeichnenden vom 11.06.2012 zu den Fragen
• Was ist vorkonstitutionelles Recht?
• Werden mit der falschen Anwendung des Begriffes „vorkonstitutionelles Recht“ die unverletzlich garantierten Freiheitsgrundrechte ausgehöhlt?
• Welche Wirkung hat das vorkonstitutionelle Recht auf die Grundrechtsgarantie des Art. 1 Abs. 3 GG ?
verwiesen.
Die Expertise ist sicher eine willkommene Lektüre für alle, die sich für öffentliches Recht interessieren, aber der Zug ist ganz einfach abgefahren. Es gibt zahllose BVerfGE zu der Frage des vorkonstitutionellen Rechts und keine davon hat je irgendeine Tendenz erkennen lassen, den Gesetzgeber schärfer an die Kandarre zu nehmen. Jeder Jurist darf Mindermeinungen vertreten, aber er sollte nicht empört aufschreien, wenn andere sich nicht mit fliegenden Fahnen seiner Ansicht anschließen.
Ein Beispiel für einen Verstoß gegen eine zwingende Gültigkeitsvorschrift des Bonner Grundgesetzes ist die Unterlassung der namentlichen Nennung des einzuschränkenden Grundrechtes unter Angabe seines Artikels gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG (sog. Zitiergebot).
Der Meinung kann er, wie gesagt, sein. Ich würde dem Zitiergebot aber ohnehin keine so große Bedeutung zumessen, denn die Warn-, Besinnungs- und Transparenzfunktion, die man sich ursprünglich erhofft hat, hat es nicht einmal ansatzweise erfüllt. Nehmen wir einfach mal an, ab morgen wäre die gesamte juristische Welt der Meinung von Herrn Plath: Was würde sich ändern? Der Bundestag würde im Eilverfahren sämtliche von ihm bemängelten Gesetze inhaltsgleich und nur mit einer nachgebesserten/ergänzten Grundrechtseinschränkungsklausel beschließen. Und was wäre dann besser? Ich sehe es mit großer Sorge, daß der Staat unsere Rechte und Freiheiten immer mehr einschränkt. Aber wenn der Staat in Zukunft einfach offener schreibt, daß er unsere Rechte und Freiheiten einschränkt, dann ist das doch um keinen Deut besser.
Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil er der gesetzlichen Grundlage entbehrt oder weil die in Frage kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind. ( BFH v. 01.10.1981, IV B 13/81)
Stimmt, ein solcher Verwaltungsakt ist nicht nichtig (also von vornherein nicht existent), sondern nur rechtswidrig (und muß daher vom Betroffenen angefochten werden).
Ein Finanzbeamter, der Steuern bewusst falsch festsetzt, begeht keine Rechtsbeugung. (BGH 1972 gegen RGSt.71, 315)
Weil er nur Rechtsanwender und kein Rechtsfeststeller ist.
Ein Finanzbeamter, der im Einspruchsverfahren die Steuern bewusst falsch festsetzt, begeht keine Rechtsbeugung.
Dito. Auch im Einspruchsverfahren, da dies nur ein dem gerichtlichen Prozeß vorgelagertes Verwaltungsverfahren ist.
Auch rechtswidrig zustande gekommene Entscheidungen können vollstreckt werden. (LG Stade in NZS 11c Qs 65/11 v.08.04.2011)
Darum gibt es ja Rechtsbehelfe. Wenn man in jeder rechtlichen Angelegenheit sämtliche Fristen verstreichen und alle Einspruchsmöglichkeiten ungenutzt lassen könnte, um dann erst bei der Vollstreckung “Rechtswidrig, rechtswidrig!” zu schreien, wäre jedes geordnete Verfahren völlig für die Katz’.
„Den Grundrechten kommt insoweit eine Vergewisserungsfunktion zu, die geeignet ist, Untertanengeist und obrigkeitsstaatliche Attitüde zu überwinden. Hierzu gehört, dass der Bürger sich auf seine Grundrechte beruft — auf sie „pocht” und nicht der einzelne hat darzulegen, dass er zum Handeln berechtigt (befugt, ermächtigt) ist; der Staat muss umgekehrt seine Maßnahmen am Maßstab der Grundrechte rechtfertigen.“
Absolut richtig. Und allgemein herrschende und ziemlich unbestrittene Meinung seit ungefähr 200 Jahren.