Wie die Geheimdienste den Rechtsstaat aushöhlen (von Jo Bager)
http://www.heise.de/ct/artikel/Wie-die-Geheimdienste-den-Rechtsstaat-aushoehlen-1939888.html
Zitat:”Als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September haben die USA eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die den Geheimdiensten eine ungeheure Machtfülle gegeben haben – eine Machtfülle, die man sonst nur aus Diktaturen kennt. So können die Geheimdienste (Internet-)Unternehmen zwingen, ihnen Zugriff auf Kundendaten zu gewähren. Gleichzeitig sind die betroffenen Unternehmen gezwungen, über den Zugriff Stillschweigen zu bewahren. Wer sich nicht derart einbinden lassen will, hat keine andere Wahl, als sein Unternehmen zu schließen – wie es kürzlich die Betreiber der E-Mail-Dienste Lavabit getan hat.”
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Zitat:”Der rege Datenaustausch zwischen den verschiedenen Geheimdiensten dient aber offensichtlich auch dazu, lokale Gesetze zu umgehen: Daten, die man im eigenen Land aufgrund der noch vorhandenen Datenschutzgesetze nicht erheben darf, erhält man im Austausch vom befreundeten Dienst eines anderen Landes. Ganz generell scheinen sich die Geheimdienste nicht besonders strikt an Gesetze zu halten. So verstößt die NSA jedes Jahr tausendfach gegen die ohnehin schon laxen Regeln zur Einhaltung des Datenschutzes oder gerichtliche Anordnungen.
Die nachrichtentechnisch gewonnen Informationen können zu Antiterroraktionen führen, etwa Exekutionsangriffe mit Drohnen, die jeglicher rechtsstaatlichen Legitimation entbehren und auch Unbeteiligte und Unschuldige treffen können. In mindestens einem Fall sollen auch BND-Informationen bei solch einem Angriff eine Rolle gespielt haben, mindestens fünf Bundesbürger sollen unter den Opfern der Drohnenattacken sein.”
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Zitat:”Einflussnahme auf die Presse gibt es in Deutschland nicht, um die Kontrolle der Geheimdienste ist es aber auch hierzulande eher schlecht gestellt. Dafür ist in Deutschland ein Parlamentarisches Kontrollgremium zuständig. Zehn Parlamentarier, darunter ein Polizist, zwei Politikwissenschaftler, fünf Juristen und ein Theologe, sollen neben ihren anderen Aufgaben einen technisch hochgerüsteten Apparat mit Tausenden Mitarbeitern kontrollieren. Als einziges Mitglied des Ausschusses hat der CDU-Politiker Manfred Grund als Diplomelektroingenieur einen technischen Hintergrund.
Aber in technische Details steigt der Ausschuss offenbar ohnehin nicht ein. Man muss sich die Sitzungen wohl eher so vorstellen, dass Geheimdienstkoordinator Pofalla den Mitgliedern etwas vorträgt, was die Geheimdienste ihm aufgeschrieben haben. Die Opposition kann Nachfragen stellen, mehr aber auch nicht. Geheimdienstler sollen die Sitzungen des Ausschusses daher auch schon mal als “Märchenstunde” bezeichnen. Der Ausschuss könnte grundsätzlich auch externe Experten laden, Mitglieder dürfen auch vor Ort, also bei den Geheimdiensten recherchieren. Beides passiert derzeit aber nicht. Kurzum: Jede Pommesbude wird in Deutschland sorgfältiger kontrolliert als die Geheimdienste.
Alles in allem scheinen die westlichen Geheimdienste zu einem supranationalen und antidemokratischen Monster zu mutieren, für das rechtsstaatliche Schranken immer weniger gelten. Vor diesem Hintergrund ist es der Skandal im Skandal, dass sich in Deutschland, dem Land, in dem mit der Gestapo und die Stasi bereits zwei übermächtige Geheimdienste ihr Unwesen getrieben haben, nicht viel mehr Widerstand rührt. Was macht eigentlich der ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, der jetzt das Amt des Bundespräsidenten bekleidet?”
Dirk